Wie bringt man Kinderohren auf spannende, informative und unterhaltsame Weise sogenannte „klassische“ Komponisten näher? Keine leichte Aufgabe, zumal heutzutage der Begriff „Klassik“ schon von vielen Erwachsenen mit Attributen wie „verstaubt“ oder „langweilig“ assoziiert wird.
Der Griot Hörbuchverlag hat in seiner Klassik-Reihe für Kinder einen bemerkenswert originellen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden: Mit Fred, der Feuermaus und Hauptbrandmeister Siggi Rümmelein gehen die kleinen Hörer im Zeitsprung-Löschfahrzeug (Zeitsprung-Express) auf Entdeckungsreise in vergangene Jahrhunderte, um dort eventuelle Brände bei Konzertaufführungen nachträglich zu verhindern, und lernen so spielerisch wichtige Tonsetzer der Vergangenheit, ihre Lebensgeschichten und einige ihrer Hauptwerke kennen.
In der aktuellen Ausgabe geht es (nach Bach, Beethoven, Händel und Vivaldi) in dem 56-minütigen Hörspiel „Die unterirdische Feuersbrunst“ von Michael Vonau und Elke Bader nun ins Jahr 1791 und – inspiriert von den Klängen seiner „Kleinen Nachtmusik“ – zu Wolfgang Amadeus Mozart nach Wien. Doch der bemerkt die Ankömmlinge in seiner Wohnung in der Rauhensteingasse zunächst gar nicht, weil er sich mit seiner Frau Constanze durch ein flottes Tänzchen zu seinem Alla turca-Klavier-Satz gegen die Oktoberkälte warm zu halten versucht. Dabei entgeht ihm dann aber nicht, dass der arme Feuerwehrmann Siggi sich den Knöchel verstaucht hat, und schickt ihn zu einem der angesehensten Ärzte der Stadt: Franz Anton Mesmer, für den er ihm auch gleich noch sein neuestes Stück für Glasharmonika mitgibt – und Siggi für den Abend ins Freihaustheater zur Vorstellung seiner neuesten Oper, der „Zauberflöte“, einlädt.
Von Doktor Mesmer erfährt Siggi in dessen Palais einige Einzelheiten über Mozarts, oder, wie der Arzt ihn nennt, „Wolferls“ Kindheit und seine ersten größeren Kompositionen. Mesmer hat sich auf eine Behandlungsmethode durch Magnete spezialisiert, mit denen er den kranken Fuß des Hauptbrandmeisters tatsächlich innerhalb weniger Stunden kurieren kann.
Nun steht dem abendlichen Opernbesuch nichts mehr im Weg: Neugierig erkunden Rümmelein und Fred den Theater-Holzbau bei ihrer üblichen feuerpolizeilichen Bühneninspektion. Anhand der Kulisse, der Kostüme und markanter Musikausschnitte erklärt Siggi seiner begeisterten Feuermaus die Hintergründe, die Entstehungsgeschichte und die Handlung der „Zauberflöte“. Doch als die Aufführung beinahe zu Ende ist, passiert das Missgeschick: Mitten in der „Feuerprüfung“ fällt ein glühendes Kohlestück in die Bühnenversenkung hinein und löst einen Brand aus! Ein Glück, dass Fred vorhin bei Dr. Mesmer aus dessen Schublade heimlich einen Magneten hat mitgehen lassen – mit seiner Hilfe kann er gerade noch rechtzeitig den Löschschlauch zu sich hinunter ziehen und von Sängern, Musikern und Publikum unbemerkt die Flammen löschen. Wer weiß – vielleicht hätte Mozarts „Zauberflöte“ sonst nie den Siegeszug um die Welt antreten können, der ihr beschieden war…?
Das Problem, wie man Kinder am besten mit zurück in die Mozart-Zeit des 18. Jahrhunderts nehmen kann, wird hier absolut überzeugend gelöst: Mit Fred der Feuermaus und auch Leopold, seiner befreundeten Leseratte, bekommen die jungen Hörer „ebenbürtige“ Partner an die Hand, die stellvertretend für sie Fragen stellen. Hauptbrandmeister Rümmelein fungiert als versierter und geduldiger Erklärer, ohne dabei oberlehrerhaft zu wirken. Die Sprecher agieren allesamt sehr motiviert und lebendig – allen voran Heiner Heusinger sowohl als Erzähler als auch Feuermaus (!), Thomas Rübenacker als Siggi Rümmelein und Hermann Strasser als Mozart mit unwiderstehlichem Wiener Dialekt. Geschickt sind auch allerlei interessante historische Fakten der damaligen Zeit eingeflochten, wie z.B. Informationen zu Dr. Mesmers Magnetismus, zu verschiedenen Gebäuden in der Stadt Wien oder zum einstigen Theaterleben der Kulturmetropole.
Was die Behandlung der „Zauberflöte“ selbst angeht, fällt diese leider etwas kürzer als erhofft aus, was man aber wegen der geschickten ausführlichen Rahmenhandlung der Hörspielgeschichte leicht verschmerzen kann. Schade nur, dass die Autoren lediglich musikalische Ausschnitte von Papageno, der Königin der Nacht und dem Schlusschor gewählt haben; die anderen Hauptfiguren wie Tamino oder Pamina gehen so klanglich ein wenig unter. Wichtige Fachbegriffserklärungen wie z.B. „Leitmotiv“ (bei Papageno) oder „Koloraturarie“ (bei der Königin) finden aber trotzdem ihren kindgerechten und geeigneten Platz.
Und auch im ganzen ist der Ablauf passend und anschaulich mit vielen akustischen Unterlegungen/Einblendungen wie Feuersirene, Pferdegetrappel oder Flammenlodern illustriert.
Im umfangreichen Schuber enthalten ist außerdem noch eine Zusatz-CD mit einer Stunde bekannter Mozart-Melodien: das Allegro aus der „Kleinen Nachtmusik“, der 1. Satz der Sinfonie Nr. 40, das Adagio aus dem Klarinetten-Konzert, das Allegro aus dem Konzert für Flöte und Harfe, Sätze aus mehreren Klaviersonaten (z.B. der „Sonata facile“), das Adagio für Glasharmonika und noch einmal alle Zauberflöten-Ausschnitte aus dem Hörspiel in voller Länge.
Vervollständigt wird das Gesamtpaket durch ein 48seitiges Begleitbuch zu Mozarts Leben und Werk, im speziellen zur Zauberflöte, durch das die nun wieder aus Wien zurückgekehrte Feuermaus Fred führt – mit vielen farbigen Bildern und Anekdoten.
Bei so viel gut konzipiertem und aufgemachtem Hör- und Lesematerial lohnt es durchaus, sich mal einen Nachmittag oder Abend lang Zeit zu nehmen und gemeinsam mit (den eigenen) Kindern in Mozarts Opernwelt abzutauchen. Löschwasser bei allzu brennender Begeisterung ist jedenfalls dank Feuermaus Fred genug vorhanden!
Das Kinderhörspiel „Wolfgang Amadeus Mozart und die unterirdische Feuersbrunst“ mit 2 CDs und einem Booklet ist im Griot Hörbuchverlag erschienen und kostet 14,90 €.
Neueste Kommentare