Die Zukunft: Die Menschen leben in einem Weltstaat vereint, Hedonismus ist das oberste Prinzip. Menschen werden nicht mehr geboren, sondern im Reagenzglas gezüchtet und mittels eines Kastensystems in Alpha- bis Epsilon-Menschen eingeteilt. Erziehung bedeutet Konditionierung, jeder erhält seine ihm vorherbestimme Aufgabe. Mit Hilfe von Gehirnwäsche und Drogen sind alle glückliche Konsumenten und Arbeiter. Der Alpha Bernard Marx verspürt so etwas wie Sehnsucht nach dem „echten“ Leben, nach Freiheit und persönlicher Entfaltung. Bei einer Reise in eines der wenigen verbliebenen Reservate, in denen noch das alte, unperfekte Leben geführt wird, macht er schließlich eine Entdeckung, die für alle Beteiligten gravierende Folgen haben wird.
Schullektüre. Zwölfte Klasse. Und ich geb es zu: Das zweisprachige rote (oder orange?) Reclam-Buch steht bis heute weitgehend ungelesen im Regal. Aber was soll´s? Damals war Pulp Fiction wichtiger. Und Pearl Jam. Und die Traumfrau, die nichts mit einem zu tun haben wollte…
Ach, ich schweife ab. Wie schön, dass man mit dem Alter klüger wird, und wie schön, dass man sich einst verschmähte Weltliteratur, ungekürzt und in einer Neuübersetzung, vom großen Matthias Brandt vorlesen lassen darf.
Über Matthias Brandt, dem wir auf diesem Blog wohl demnächst eine eigene Rubrik widmen werden, und seine Qualitäten als Vorleser habe ich mich ja bereits in der Vergangenheit schwärmerisch geäußert. Und auch hier zieht er alle Register seines Könnens, indem er alle Figuren des Romans, und seien sie auch noch so skurril oder gar erschreckend, zum Leben erweckt, ohne dabei jemals zu überzeichnen oder zu chargieren.
Schon der erste Abschnitt des Romans, eine faszinierend-abstoßende Führung durch die „Menschenfabrik“ der schönen neuen Welt, bleibt dank seines meisterhaften Vortrags lange in Erinnerung.
Auch im weiteren Verlauf des Romans, in dem die scheinbar perfekte Welt um Bernard Marx immer mehr Risse bekommt, und mit dem vermeintlichen Wilden John das „echte“ Leben Einzug im durchorganisierten Weltstaat Einzug hält, gelingen durch Brandts ausdrucksstarke Lesung beeindruckende Hörmomente.
Und es ist erstaunlich, wie viele Ideen späterer Science Fiction bereits in diesem Roman aus dem Jahr 1932 ihren Ursprung haben, von den Geschichten Philip K. Dicks bis hin zu Kino-Dystopien wie The Matrix.
Und so hat mich wieder einmal ein Hörbuch einem Stück Weltliteratur näher gebracht. Allen, die sich auf die gleiche Weise mal etwas genauer in Aldous Huxleys Schöner neuer Welt umsehen möchten, wünsche ich ebenso eindrückliche acht Stunden mit „Fremdenführer“ Matthias Brandt.
Eine Hörprobe gibt es hier!
Danke für die Rezension! Mal wieder ein HB, das ich mir holen werde.
Ich bin immer wieder beeindruckt (und irgendwie auch verstört), mit welcher hellseherischen Klarheit Huxley und sein Kollege Orwell (1984) die großen Fragen unserer Zeit vorweggenommen haben. Von der Abschaffung der Privatsphäre (und der damit einhergehenden Totalüberwachung), bis hin zur Volksdroge Konsum (konsumiere dich glücklich und muck bloß nicht auf). Ich finde das furchteinflößender, als es das finsterste Gruselhörspiel je sein könnte.