Ein Reisender macht während eines Unwetters in Nordfriesland eine merkwürdige Beobachtung. Kurz darauf macht er Rast in einer Gastwirtschaft. Als er den Anwesenden von der unheimlichen Reitergestalt berichtet, die ihm beim Ritt über den Deich begegnet ist, erzählt ihm einer der Gäste die tragische und mysteriöse Geschichte des Schimmelreiters Hauke Haien.
Ein klein wenig erinnerte ich mich noch an die bekannte Novelle von Theodor Storm, die wir in der 8. Klasse als Schullektüre durchnahmen. Aber das ist nun schon 25 Jahre her, und so aufregend wie das folgende Hörspiel hatte ich das Buch nun wirklich nicht in Erinnerung.
Der Hörspielumsetzung haben die Macher von Titania Medien sogar eine Doppel-CD und 100 Minuten Spielzeit spendiert. Und das ist gut so, denn es gibt wirklich viel zu erzählen.
Es ist ein steiniger Weg, den der junge Hauke auf seinem Weg zum Amt des Deichgrafen gehen muss. Er beginnt als ehrgeiziger Knecht des alten Deichgrafen, hat dort aber bereits mit dem eifersüchtigen Oberknecht zu kämpfen, der Hauke die gute Zusammenarbeit mit seinem Herren neidet. Auch als Hauke das Interesse der Tochter des Deichgrafen weckt, macht ihm das nicht unbedingt Freunde.
Aber nach dem Tod des Deichgrafen und seiner anschließenden Heirat mit dessen reicher Tochter erreicht Hauke schließlich sein Ziel und macht sich an den Bau eines neuen Deichs.
Unheimlich erscheint er seinen Mitmenschen nur durch sein Pferd, einen ausgemergelten Schimmel, den er auf beinahe wundersame Weise wieder aufpäppelt, und den die Bewohner der Gegend für die Wiedergeburt eines Pferdeskeletts halten, das seit dem Kauf des Schimmels verschwunden ist. Hat sich Hauke etwa mit finsteren Mächten verbündet?
Statt die üblichen Lobeshymne für Titania Medien anzustimmen, möchte ich heute ein bisschen weiter ausholen.
Mein absolutes Lieblingshörspiel und einer der Hauptgründe, mich nach einer pubertär bedingten Hörspelauszeit Ende der 90er Jahre wieder mit dem Medium zu befassen, war Walter Niklaus´ Hörspielfassung des Romans Der Graf von Monte Christo aus dem Jahr 1997 mit Mathieu Carrière in der Hauptrolle.
Ich kannte weder den Roman noch die Geschichte, sondern habe sie durch dieses grandiose Hörspiel erstmalig entdecken dürfen. Zum Glück, denn den umfangreichen Roman hätte ich, der ich von Natur aus lesefaul bin, wohl nie in die Hand genommen.
Für mich ist es seither der größte Verdienst von Hörspielmachern, wenn sie es schaffen, den Hörer durch ihre Herangehensweise an die Vorlage auf eine ganz eigene Art und Weise zu faszinieren, die oft der Faszination, die beim Lesen eines guten Buchs entsteht, ebenbürtig ist.
Weitere Beispiele für derart gelungene Umsetzungen sind etwa Walter Adlers Hörspielfassung von Isabel Allendes Das Geisterhaus oder Leonhard Koppelmanns Adaption der Fantasy-Saga Morland von Peter Schwindt.
Und nach mehrmaligem Hören kann ich nun getrost auch Der Schimmelreiter zu dieser Gruppe außergewöhnlicher Hörspiele zählen.
Nicht nur die wie immer brillante akustische Gestaltung des Hörspiels hat mich begeistert, auch die beteiligten Schauspieler sind wieder einmal sehr gut gewählt. Johannes Raspe ist eine Idealbesetzung für den am Ende fast vom Ehrgeiz zerfressenen Hauke Haien. Und durch das überzeugende Spiel von Kristine Walther in der Rolle seiner Frau Elke gewinnt das Hörspiel im zweiten Teil noch einmal eine ganz neue (tragische) Dimension, an deren Kraft auch die kleine Clara Fischer als Wienke Haien einen ganz entscheidenden Anteil hat. Für mich ohne Zweifel die rührendste Performance eines „Hörspielkinds“ seit Lilli Martha Königs Auftritten in Lorely und Dorian Hunter.
Alles weitere wäre nur Wiederholung, etwa die Erwähnung der überzeugenden schauspielerischen Leistungen in den Nebenrollen, in denen große Namen wie Horst Naumann, Wilfried Herbst oder Dagmar von Kurmin mitwirken.
Andererseits, man kann es nicht oft genug sagen:
Die Hörspiele von Titania Medien sind eine Klasse für sich.
Hier gibt es eine Hörprobe!
Neueste Kommentare