Im Jahr 1905 macht sich eine junge Frau aus Deutschland auf den Weg nach Kamerun. Ihr sozialer Aufstieg geschieht auf Kosten der Einheimischen und Bediensteten, die vergeblich Widerstand gegen die Deutschen leisten.
Im Jahr 2015 bricht der junge Statiker Martin von Kamerun aus nach Berlin auf. Dank seiner Beharrlichkeit findet er dort bald eine feste Stelle und eine eigene Wohnung. Zugleich verliert er aber zunehmend den Kontakt zu seiner Familie. Bis er eines Tages mit einem Bauprojekt in Kamerun beauftragt wird. Gegen seinen Willen kehrt Martin zurück in seine Heimat.
Das Hörspiel stellt die beiden Migrationsgeschichten einander gegenüber.
Martins Weg zu einem selbstbestimmten Leben in Deutschland ist immer wieder von Ablehnung und (verstecktem) Alltagsrassismus gekennzeichnet.
Für die junge Frau in Kamerun ist „der Neger“ des Jahres 1905 ein dienstbares Wesen, das Orientierung und Führung durch die zivilisierten Deutschen benötigt.
Die Ereignisse des Jahres 2015 sind szenisch inszeniert und basieren auf Interviews mit jungen Migranten.
Wie in den meisten Plamper-Hörspielen wirken die Szenen oft improvisiert, aus dem Bauch heraus gespielt, wie ein Dogma-Hörfilm.
Die Geschehnisse des Jahres 1905 werden zumeist in Brief-/Tagebuchform vorgetragen. Wenn es zu Dialogen kommt, spricht eine Schauspielerin alle beteiligten Rollen.
Das hätte leicht schief gehen können, funktioniert in diesem Fall allerdings hervorragend, da man für den Part mit Sandra Hüller („Toni Erdmann“) die wohl beste deutschsprachige Schauspielerin ihrer Generation gewinnen konnte.
Meisterhaft spielt sie den Wandel vom naiven Mädchen zur kaltherzigen Kolonialherrin, die mit aller Macht versucht, den Eingeborenen die deutschen Tugenden überzustülpen. Ihr außergewöhnliches Talent beweist Hüller unter anderem während einer Folterszene, die durch ihr intensives Spiel nachhaltig in Erinnerung bleibt.
Auch der Cast des Jahres 2015 ist durchweg beeindruckend. Olivier Jommou spielt den Flüchtling Martin, der unermüdlich alle Steine aus dem Weg räumt, die ihm die deutsche Einwanderungspolitik in den Weg legt.
Für die Szenen in Afrika hat man erfreulicherweise Native Speaker eingesetzt, für die Übersetzung kommt eine Simultandolmetscherin zum Einsatz.
Was Geräusche und Effekte angeht, so wirken gerade die Szenen in Afrika wie live am Schauplatz aufgenommen. Ein wirklich beeindruckendes, authentisch wirkendes Hörerlebnis.
Nach knapp zwei Stunden Spielzeit und einer der bittersten Schlusspointen der jüngeren Hörspielgeschichte möchte ich „Dienstbare Geister“ jedem geschichts- und hörspielinteressierten Staatsbürger ans Herz legen, gerade jetzt, kurz vor der Bundestagswahl und mit der Aussicht auf den Einzug einer fremdenfeindlichen Nazipartei ins Parlament.
Paul Plamper liefert einen weiteren Beweis dafür, dass Hörspiele so viel mehr sein können als bloße Unterhaltung.
Hier gibt es nicht nur eine Hörprobe, sondern auch die Möglichkeit, das Hörspiel als Download oder auf CD zu bestellen!
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