Der kleine Bastian hat es in der Schule nicht leicht. Er ist ein Träumer, hat schlechte Noten und wird von seinen Mitschülern gehänselt. Eines Tages findet er in einem Antiquariat ein Buch, von dem er sofort fasziniert ist. Kurzerhand klaut er es und versteckt sich damit auf dem Dachboden seiner Schule. Bastian beginnt Die unendliche Geschichte zu lesen und taucht immer tiefer in das märchenhafte Reich Phantásien ein. So tief, dass er bald selbst zu einem Teil der Geschichte wird.
Die erste Hörspielfassung des Romans erschien im Jahr 1980 unter der Regie von Anke Beckert. Ich bekam das dreiteilige Hörspiel etwa im Alter von 8 Jahren geschenkt und war sofort begeistert von der fantastischen Welt, in die Bastian eintaucht. Zwar kannte ich bereits die Verfilmung von Wolfgang Petersen. Diese hat allerdings den Nachteil, dass der gesamte zweite Teil des Romans, Bastians Reise durch Phantásien, darin gar nicht vorkommt.
So war Die unendliche Geschichte in gewisser Weise mein erstes „erwachsenes“ Hörspiel, das mir gezeigt hat, dass das Medium weitaus mehr zu bieten hat als Koboldsstreiche, Millionenstadtschläger und Juniordetektive.
Und eigentlich war auch schon alles klar, was das Hörspieljahr 2014 betrifft, schließlich hatte Leonhard Koppelmann mit seiner Neufassung von Die Schatzinsel im November bereits den heißesten Anwärter auf den Titel „Mein Hörspiel des Jahres“ vorgelegt.
Aber dann kam die Neuinszenierung von Die unendliche Geschichte. Aufwändig produziert vom WDR unter der Regie von Petra Feldhoff (Daemon, Darknet).
Und ich sage es ganz offen:
Das Ding hat mich von der ersten Minute an so was von umgehauen! Schon der hollywoodreife Soundtrack, eingespielt vom Sinfonieorchester des WDR, ist eine Klasse für sich. 40 Sprecher sind beteiligt, allesamt Meister ihres Fachs. Bekannte Namen wie Jürgen Thormann und Walter Renneisen spielen in Nebenrollen. Außerdem hat man sich für zwei Erzähler entschieden. Hans Kremer führt durch die Ereignisse in Phantásien, Anna Thalbach ist die Erzählerin in der Welt der Menschenkinder.
Laura Maire (Nichts – Was im Leben wichtig ist) ist in einer Doppelrolle als Irrlicht und als faszinierend ambivalente Kindliche Kaiserin zu hören. Die große Irm Hermann (Das Geisterhaus) ist als Zweisiedlerin zu hören, die den tapferen Atréju auf seinem Weg zum Südlichen Orakel begegnet. Und Claudia Urbschat-Mingues (Synchronsprecherin von Angelina Jolie) spielt überzegend die böse Hexe Xayide, die eine wichtige Rolle für Bastian auf seiner Reise durch Phantásien spielt.
Bei all der versammelten Sprecherprominenz darf man aber keinesfalls die beiden Nachwuchssprecher Benny Hogenacker (Bastian) und Finn Oleg Schlüter (Atréju) vergessen. Sie liefern wirklich beeindruckende Leistungen ab und lassen den Hörer so nur um so tiefer in die atemberaubende Welt vom Phantásien eintauchen.
Die Neufassung ist etwa hundert Minuten länger als die Fassung von 1980 und gibt damit auch Raum für die Verhörspielung von Teilen des Romans, die in Anke Beckerts Bearbeitung keinen Platz fanden. So begeben sich in Petra Feldhoffs Fassung zum Beispiel weitaus mehr Gefährten mit Bastian auf die Reise durch Phantásien, und ein Kapitel wie der Besuch der Silberstadt Amargánth erfährt nun auch eine effektvolle Hörspielumsetzung.
Schließlich kann ich nur jedem Hörer empfehlen, sich das Hörspiel mit hochwertigen Kopfhörern und / oder auf einer ebensolchen Anlage anzuhören. Denn nur so kommen die aufwändigen Klanginstallationen voll zur Geltung und es klingt um so eindrucksvoller, wenn etwa Cathlen Gawlich als menschenfressendes, vielgestaltiges Monster Ygramul durch den Hörraum schwirrt.
Ein echter Knaller zum Jahresabschluss! Ein perfekt gemachtes Fantasy-Hörspiel, das sich ohne weiteres zu Ausnahmeproduktionen gesellen kann wie etwa Leonhard Koppelmanns Morland-Trilogie, Bernd Laus Hörspielfassung von Der Herr der Ringe oder Walter Adlers Mammutwerk Otherland.
Die nun beendete Lobeshymne soll allerdings den Wert von Anke Beckerts Hörspielfassung in keinem Fall schmälern. Ich kann nur jedem Hörspielfan empfehlen, sich auch die Beckert-Version zu besorgen, die es immer noch für kleines Geld in einer 3-CD-Box käuflich zu erwerben gibt. Denn beide Fassungen sind, jede auf ihre Art, einzigartig.
Weitere Infos gibt es hier!
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